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NEVIN ALADAG
Raimar Stange: Nevin Aladağ - Best Friends #1: In aller Freundschaft

27.08.2018

Einem breiteren Kunstpublikum wurde Nevin Aladağ durch die letzte documenta bekannt, als sie ebendort ihre Arbeit „Musikzimmer“, 2015, vorstellte. Jetzt zeigt die Berliner Künstlerin ihr Projekt „Best Friends“ in der Kestner-Gesellschaft Hannover.

18 überlebensgroße Banner sind im Erdgeschoss der Kestner-Gesellschaft Hannover von der Decke gehängt, jedes zeigt ein Foto von „besten Freunden“. Fotografiert hat Nevin Aladağ diese Freunde, es handelt sich überwiegend um Jugendliche, in Dortmund, Berlin, Basel, Los Angeles und Mons. Auffallend an diesen Zweier- und Dreiergruppen ist, dass die dort jeweils Abgelichteten sich von ihren Freunden in Kleidung und Gestus kaum unterscheiden. So sind die beiden Freundinnen auf „Best Friends Dortmund #1“, 2012 gar im Partnerlook gekleidet, schwarze Hose, schwarze Jacke, weißes Hemd, dunkle Sneaker, schicke weiße Armbanduhr. Die beiden Protagonisten in „Best Friends Dortmund #2“, 2012, halten ihr Skateboard in identischer Weise und auch sonst gleichen sie sich mit ihren Bermudashorts, Shirts und feschen Sneakern auffallend. Individualität also steht hier genauso auf dem Prüfstand wie Identität, die hier offensichtlich nicht zuletzt durch den jeweiligen „Style“ zum Ausdruck gebracht werden soll. Dass diese „Youth Culture“ durchaus uniforme Züge besitzt und dass diese Uniformierung längst sich im globalen Maßstab austobt , dieses wird in „Best Friends“ auch dadurch deutlich, dass lediglich die Bildtitel darauf hinweisen, dass die Freunde aus unterschiedlichen Städten, ja Ländern und Kontinenten kommen. Den Fotos selbst und den dort porträtierten Freunden ist dieses kaum ablesbar – es sei denn es sind da einmal Palmen im Hintergrund zu sehen …

Der zweite Teil des Projektes thematisiert ebenfalls die Möglichkeiten von Identität und menschlichem Nebeneinander. Nevin Aladağs Video „Hochparterre“ (2009/2010), das eine junge Frau an einem offenen Fenster zeigt, nämlich wird da im Nebenraum gezeigt. Es handelt sich bei der Protagonistin um eine Schauspielerin, gekleidet in Jeans und Pulli, die Interviews zu sprechen scheint, die Nevin Aladağ mit AnwohnerInnen der Großen Bergstraße in Hamburg-Altona geführt hat. Tatsächlich aber werden die Texte, die z. B. von „Überfremdung“ und Gentrifizierung handeln, von diversen Sprechern gesprochen, die zu sehende Schauspielern wird so gleichsam synchronisiert. Eine Zuordnung von Text, Stimme und Sprecher also ist in „Hochparterre“ unmöglich. Solch Zuordnung aber ist seit jeher ein identitätsstiftendes Moment und genau dieses wird hier zu Gunsten einer „undifferenzierten“, wenn man so will „all(en)gemeinen“ Identität von der Künstlerin aufgegeben.

Gespannt darf man sein, wie dieses Projekt von Nevin Aladağ im Dezember in der Kestner-Gesellschaft Hannover fortgesetzt wird, dann nämlich wird die Präsentation von der Künstlerin durch zusätzliche Arbeiten neu akzentuiert.